CO2-Fußabdruck der Logistik
Das Thema Nachhaltigkeit bewegt die Logistikbranche nicht erst seit gestern. Explodierende Rohstoffpreise, CO₂-Steuer, steigende Anforderungen der Kund:innen an ihre Lieferketten und Erwartungen von Nachwuchskräften sind nur einige der Themen. Viele Transport- und Logistikunternehmen haben sich längst Nachhaltigkeitsziele gesetzt und reagieren damit auf den steigenden Druck, der sich von allen Seiten aufbaut.
Wir beleuchten hier die Entwicklungen und Herausforderungen von Nachhaltigkeit in der Logistik und zeigen mögliche Wege zu klimafreundlicherem Transport.
Die Logistikbranche als Mitverursacher und Leidtragender der Klimakrise
Die Logistik ist einer der größten Verursacher von Treibhausgasemissionen. In Deutschland liegt der Anteil an CO₂-Emissionen bei rund 20 %. Ein Umdenken in Richtung Nachhaltigkeit ist in dieser Branche also besonders wichtig.
Hinzu kommt, dass der Transportsektor in besonderem Maße unter den Folgen des Klimawandels leidet. So beeinträchtigte die Flutkatastrophe im Ahrtal laut der Deutschen Verkehrs-Zeitung (DVZ) vor allem die Schiene und hatte immense Folgen für die Straße. Schäden und Sperrungen sorgten für lange Umwege – und zwar monatelang.
Und auch die Binnenschifffahrt bleibt nicht von den Auswirkungen des Klimawandels verschont. So berichtet Steffen Bauer, CEO HGK Shipping, in der DVZ:
„Ein Beispiel dafür sind die zunehmenden und langanhaltenden Niedrigwasserperioden etwa auf dem Rhein und anderen europäischen Flüssen.“
Die Diskussion über Nachhaltigkeit in der Logistik ist also keine abstrakte, theoretische Übung mehr. Doch nicht nur extreme Wetterereignisse zeigen die Notwendigkeit für Umweltschutz in der Logistik:
Kund:innen und Arbeitnehmer:innen fordern glaubwürdige Nachhaltigkeitsstrategien
Weltkonzerne wie die BMW Group machen es vor: Die CO₂-Emissionen von Zulieferern entscheiden in Zukunft über die Vergabe von Aufträgen. Aus dieser Strategie ergeben sich wirtschaftliche Anreize für alle Beteiligten der Lieferkette, ihre CO₂-Bilanz schon heute genau im Auge zu behalten und Emissionen zu senken, wo möglich.
Neben Kund:innen legen auch Arbeitnehmer:innen großen Wert auf die Nachhaltigkeit. Gerade Nachwuchskräfte gelten im Recruiting als umweltbewusst. Sie achten bei der Jobsuche bekanntlich darauf, ob Arbeitgeber sich in Sachen Nachhaltigkeit glaubwürdig engagieren. Laut einer Studie von Stepstone „zählte für mehr als jede:n vierte:n Student:in Corporate Social Responsibility zu den wichtigsten drei Attraktivitätsfaktoren.”
Nicht viel anders geht es überraschenderweise den Generationen der Babyboomer und Gen-X. Tatsächlich sagten über 80 % der Babyboomer aus, die Nachhaltigkeit ihres Arbeitgebers sei ihnen von allen Auswahlkriterien am wichtigsten.
Maßnahmen zur Senkung von CO₂-Emissionen in der Logistik
Dennoch fällt die Umsetzung bisweilen schwer – nicht zuletzt, weil ein Umdenken in Richtung Klimaschutz immer auch Investitionen mit sich bringt. Sprechen wir über CO₂-Grenzwerte und Solardächer auf Lagerhallen, kommen schnell Fragen auf: Wie bezahlbar ist nachhaltige Logistik? Und wer trägt die Kosten?
Um den Transportsektor nachhaltiger zu gestalten, muss gleich an mehreren Stellschrauben gedreht werden. Die Politik ist genauso gefragt wie die Initiative von Logistikunternehmen selbst.
Politische Maßnahmen zum Klimaschutz: CO₂-Grenzwerte in der Logistik
Wenn es um die Senkung von Emissionen in der Logistik geht, fällt der erste Blick meist auf die Motoren und Triebwerke der Transportmittel. Natürlich sind emissionsarme Antriebe nur ein Teil der Gleichung. Fährt ein Lkw mit einem sehr effizienten Motor große Umwege durch zähen Stop-and-go-Verkehr, ist wenig gewonnen. Auch Faktoren wie Lagerung, Verpackung und Leerfahrten spielen beim CO₂-Fußabdruck der Logistik eine große Rolle.
Trotzdem ist die Einführung von Grenzwerten ein wichtiger Schritt. Er sorgt dafür, dass Hersteller zu nachhaltigen Innovationen getrieben werden. CO₂-Grenzwerte gibt es daher seit einigen Jahren für schwere Nutzfahrzeuge und einige Flugzeuge. In der Schifffahrt gelten Grenzwerte für den Schwefelgehalt des getankten Treibstoffs.
CO₂-Grenzwert für schwere Nutzfahrzeuge
Das Bundesverkehrsministerium rechnet für die nächsten Jahre mit steigenden Fahrleistungen der Lkw-Flotte auf deutschen Straße – auch wenn die Politik bereits angekündigt hat, vermehrt in die Schiene zu investieren.
Daher wurden 2019 in der EU erstmals CO₂-Grenzwerte für Lkw und Busse beschlossen. Hersteller von schweren Nutzfahrzeugen (SNF) müssen die CO₂-Emissionen ihrer Fahrzeuge bis 2025 um 15 % senken – im Vergleich zu den Werten einer Vergleichsflotte 2019/20. Bis 2030 liegt der CO₂-Grenzwert bei um 30 % reduzierten Emissionen.
Transport- und Logistikunternehmen sind von diesen Grenzwerten nicht direkt betroffen. Sie gelten nicht für Ihren bestehenden Fuhrpark und insgesamt liegt die Verantwortung zur Einhaltung ausschließlich bei den Herstellern. Aber: Die Grenzwerte zwingen Hersteller dazu, SNF effizienter zu bauen. Wenn Sie also Lkw oder Busse ersetzen bzw. hinzukaufen möchten, lohnt es sich, das Stichjahr 2025 im Hinterkopf zu behalten.
Grenzwerte im Luftverkehr
Die ICAO hat – ebenfalls erstmals in der Geschichte – einen CO₂-Zulassungsgrenzwert für Flugzeuge entwickelt. Da die Grenzwerte sich auf das gesamte Flugzeug und nicht nur das Triebwerk beziehen, werden Anreize für verbesserte Aerodynamik und Leichtbau geschaffen. Die Grenzwerte gelten allerdings bislang nur für neue Verkehrsflugzeugtypen und spielen daher für die Logistik noch keine große Rolle.
Doch auch hier lässt sich ein Trend erkennen: Begonnen wird mit Grenzwerten für neue Flugzeugtypen, ab 2028 sollen auch Grenzwerte für ältere Flugzeugtypen eingeführt werden. Eine Ausweitung auf Frachtflugzeuge ist ebenfalls denkbar.
Grenzwerte für Schiffe
Und auch in der Schifffahrt gelten ab 2020 neue Grenzwerte, allerdings nicht für CO₂-Emissionen, sondern den Schwefelgehalt des getankten Treibstoffs. Der darf nur noch höchstens 0,5 % betragen – und nicht mehr 3,5 % wie vor 2020.
Was Transportunternehmen selbst tun können: So berechnen Sie Ihre indirekten und direkten CO₂-Emissionen nach DIN EN 16258
Um sinnvolle Nachhaltigkeitsziele zu formulieren, müssen Sie zunächst Ihren Ausgangspunkt kennen – also die Höhe und Quelle der Treibhausgasemissionen (THG) Ihres Unternehmens. Lange fehlte ein einheitlicher Standard zur Berechnung von THG von Logistikdienstleistungen. Jedes Unternehmen fand seine eigenen, mehr oder weniger sinnvollen Methoden, den eigenen CO₂-Fußabdruck zu berechnen.
Seit 2013 regelt diese Berechnung die DIN EN 16258. Sie ist der europäische Standard zur Ermittlung der CO₂- und Treibhausgasemissionen beim Transport und betrachtet drei Dimensionen:
- Well-to-Tank: Erfasst indirekte Emissionen durch den Kraftstoffverbrauch aller Energieträger (auch Vorkette genannt)
- Tank-to-Wheel: Erfasst direkte Emissionen durch den Fahrzeugbetrieb selbst
- Well-to-Wheel: Die Summe der direkten und indirekten Emissionen von Well-to-Tank und Tank-to-Wheel auf der gesamten Wirkungskette.
Der Deutsche Speditions- und Logistikverband e.V. (DSLV) hat einen ausführlichen Leitfaden zur Berechnung von Treibhausgasemissionen in Spedition und Logistik gemäß DIN EN 16258 veröffentlicht, der Sie durch Methoden und Berechnungsbeispiele führt.
Die so ermittelten CO₂-Emissionen können Sie durch einen externen Prüfer zertifizieren lassen und dann gegenüber Ihren Kunden und Partnern ausweisen.
Lesen Sie in unserem kostenlosen Whitepaper, welche Maßnahmen Sie ergreifen können, um Emissionen zu reduzieren und Transporte nachhaltiger zu gestalten:
Grüne Logistik liefert konkrete Ansätze für nachhaltige Logistikprozesse
Unter dem Begriff der Grünen Logistik (oder auch Green Logistics) werden unterschiedliche Maßnahmen zusammengefasst, die Logistikunternehmen unter anderem dabei helfen können, ihre THG-Emissionen zu senken. Es geht bei der Grünen Logistik allerdings nicht nur um Treibhausgase. Auch Umweltfaktoren wie Verpackungsmüll, Wasser-, Luft- und Bodenverschmutzung werden berücksichtigt.
Bisher fehlt eine einheitliche Definition des Begriffes. Die IHK Stuttgart beschreibt Grüne Logistik in einer Studie folgendermaßen:
„Die [hinter Grüner Logistik] stehende Idee, nämlich die systematische Erfassung und Reduzierung des Ressourcenverbrauchs sowie der Klimagas- und Luftschadstoffemissionen in der Logistikbranche, ist […] mehr als nur eine vorübergehende Mode. „Grüne Logistik“ steht vielmehr für ein dauerhaft angelegtes Konzept zur simultanen Bewältigung mehrerer großer Herausforderungen, welche derzeit die Logistikbranche prägen.”
Im Praxisteil der Studie werden unternehmensinterne und unternehmensübergreifende Maßnahmen differenziert. Viele der Maßnahmen setzen auf Innovation: von Software zum kraftstoffsparenden Fahren über Technologie zur Energierückgewinnung bis hin zur Robotertechnik in Lagerräumen.
Quelle: IHK-Studie „Grüne Logistik“ (2021)
Wenn Sie also Handlungsempfehlungen suchen, nach denen Sie Ihr Unternehmen nachhaltiger ausrichten können, liefert die Grüne Logistik spannende Ansätze.
Zertifizierungen wie die nach ISO 14001 (Umweltmanagementsystemnorm) können dabei helfen, die eigenen Transportdienstleistungen nachhaltig auszurichten und diese Bemühungen auch Externen gegenüber zu kommunizieren.
Zeit zu handeln – jetzt!
Steigende Rohstoff- und Energiepreise allein wären Grund genug, Logistikprozesse CO₂-ärmer zu gestalten. Hinzu kommen Kund:innen und Arbeitnehmer:innen, die immer mehr Wert auf Nachhaltigkeit legen und sich mit Lippenbekenntnissen nicht zufrieden geben. Auch von Seiten der Politik ist zumindest großes Engagement zu erkennen, die Logistikbranche langfristig sehr viel emissionsärmer zu gestalten.
Doch Nachhaltigkeitsziele allein reichen nicht. Auch, wenn Sie Ihren Fuhrpark noch nicht auf Elektrofahrzeuge umstellen wollen, gibt es zahlreiche Möglichkeiten, schon morgen ressourcenschonender zu agieren. Ob der Ausbau energieeffizienter Lagergebäude, Technologie zur Energierückgewinnung oder Einsatz von effizienter Robotertechnik – das Potential für Logistikunternehmen ist groß, zukunftsfähige Prozesse anzustoßen und Vorreiter in nachhaltiger Logistik zu werden.